Preis, Zugang und soziale Gerechtigkeit
Bio steht weltweit für nachhaltige Landwirtschaft, faire Produktion und gesunde Ernährung. Auch in Belgien wächst der Bio-Markt stetig – doch Bio bleibt oft ein Privileg für Menschen mit höherem Einkommen. Ist Bio in Belgien (und darüber hinaus) wirklich ein Modell für alle – oder doch ein Symbol sozialer Ungleichheit?
Der belgische Bio-Markt:
Wachstum mit Lücken
In Belgien ist der Marktanteil von Bio-Produkten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, lag aber 2024 noch immer bei rund 4 % des gesamten Lebensmittelmarkts – deutlich weniger als in Ländern wie Dänemark (über 12 %). Die Zahl der Bio-Landwirte nimmt zu, besonders in der Wallonie, wo rund 13 % der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet werden. In Flandern liegt dieser Anteil noch unter 4 %.
Trotz staatlicher Förderungen und EU-Subventionen bleiben Bio-Produkte auch in Belgien teurer – oft deutlich. Ein Bio-Hähnchenfilet kostet im Supermarkt schnell das Doppelte eines konventionellen Produkts. Viele Belgier:innen entscheiden sich daher gegen Bio – nicht aus Überzeugung, sondern aus finanziellen Gründen.
Wer kann sich Bio leisten?
Laut einer Umfrage von BioForum Vlaanderen aus dem Jahr 2023 kaufen regelmäßige Bio-Konsumenten in Belgien tendenziell: häufiger in urbanen Regionen (v. a. Brüssel und Gent); haben überdurchschnittliche Bildungsabschlüsse; und verfügen über ein mittleres bis hohes Einkommen.
Menschen mit geringem Einkommen oder in strukturschwächeren Regionen – etwa in ländlichen Teilen der Wallonie oder im Brüsseler Rand – greifen seltener zu Bio, obwohl dort viele landwirtschaftliche Bio-Betriebe angesiedelt sind.
Bio weltweit: Produktion hier,
Konsum dort
Belgien ist nicht allein. Weltweit zeigt sich ein ähnliches Muster: Produziert wird Bio oft in einkommensschwächeren Regionen – konsumiert wird es in wohlhabenden Ländern. In Peru wird Bio-Kakao angebaut, in Indien Bio-Baumwolle – doch die Endprodukte landen meist in Europa, den USA oder Japan.
Dabei bleiben die Produzent:innen am Anfang der Kette häufig benachteiligt. „Wenn wir echten Wandel wollen, muss Bio auch den Produzenten zugutekommen – nicht nur dem Verbraucher im Norden“, sagt eine Sprecherin von Fairtrade Belgium.
Zwischen Ideal und Realität:
Bio in der belgischen
Gesellschaft
In Belgien gibt es zahlreiche Initiativen, um Bio sozialer zu gestalten. Die Stadt Gent setzt auf Bio und Regionalität in öffentlichen Kantinen. In Brüssel fördern Programme wie Good Food urbane Landwirtschaft und den Zugang zu nachhaltigen Lebensmitteln, auch für benachteiligte Gruppen.
Doch diese Projekte bleiben oft lokal begrenzt. Viele Haushalte in Belgien können sich Bio schlicht nicht leisten – trotz wachsendem Bewusstsein. „Wir merken, dass das Interesse steigt“, sagt ein Bio-Landwirt aus der Provinz Namur. „Aber wir hören auch oft: ‚Ich würde gern, aber ich kann’s mir nicht leisten.‘“
Lösungen für mehr
Gerechtigkeit
• Mehrwertsteuersenkung auf Bio-Grundnahrungsmittel – wird in Belgien diskutiert, ist aber noch nicht umgesetzt.
• Stärkere Förderung lokaler Bio-Kooperationen zwischen Landwirten und Verbrauchern (z.B. CSA-Modelle).
• Bildung und Aufklärung über nachhaltige Ernährung – besonders in Schulen und sozialen Einrichtungen.
• Einbindung von Bio-Produkten in die soziale Grundversorgung, z.B. über Tafeln oder öffentliche Subventionen.
Fazit
Bio ist auch in Belgien kein Alltagsgut für alle – noch nicht. Solange Preis und Zugang ausschließend wirken, bleibt Bio ein Projekt der privilegierten Schichten.
Doch die Grundidee von Bio – gesunde Lebensmittel, fair produziert, umweltfreundlich verteilt – ist zu wichtig, um elitär zu bleiben.
Eine nachhaltige Zukunft beginnt nicht mit Luxus – sondern mit Gerechtigkeit. Bio für alle ist kein Traum. Es ist eine politische Aufgabe.