Kurier-Journal

Schlanker werden mit Scheinfasten?

Keine klassische Nulldiät

Beim Scheinfasten profitiert der Körper von den Vorteilen der Nahrungsmittelenthaltung. Der Clou: Gegessen werden darf trotzdem. Das klingt total praktisch. Wir haben Fachleute gefragt, was sie von dem Fastenkonzept halten. Entwickelt wurde die Fasting Mimicking Diet (FMD) in den USA, am Longevity Institute der University of Southern California unter Federführung des Altersforschers Valter Longo.

Fünf Tage halbierte Ration

„Beim Scheinfasten nimmt man während fünf Tagen ungefähr 1000 Kalorien täglich zu sich“, sagt Bernd Kleine-Gunk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin. Das sei „also ungefähr halb so viel wie normal“. Die Kost besteht aus komplexen Kohlenhydraten, etwa aus Salat und Gemüse, aus gesunden Fetten, wie sie zum Beispiel in Nüssen, Avocado und Olivenöl enthalten sind, sowie aus pflanzlichem Eiweiß, das etwa in Hülsenfrüchten steckt. Drei Mal am Tag darf gegessen werden.

Geknausert wird indes mit einfachen Kohlenhydraten wie weißem Reis, Brot und Nudeln, mit Zucker und – was für Abnehm- und Fastenerfahrene ungewohnt klingen mag – mit tierischem Eiweiß.

Das Müllentsorgungssystem

der Zellen anregen

„Tierisches Eiweiß gibt dem Körper das Signal Wachstum“, erklärt Bernd Kleine-Gunk den Hintergrund des Verzichts. „Beim Scheinfasten möchte man allerdings das Gegenteil bewirken.“ Man möchte die Zellen nicht „füttern“, sondern ihnen eine Pause von den Aufbauprozessen gönnen. „Erst in dieser Pause, im Stand-by-Modus, löst der Organismus defekte oder alte Zellen auf und recycelt ihr Material.“

Diesen Vorgang nennt man Autophagozytose oder Autophagie – er basiert auf einer Art internem Müllentsorgungssystem der Zelle, das deren Erneuerung oder eben „Verjüngung“ bewirkt.

Beim Scheinfasten werden dem Anti-Aging-Experten zufolge noch andere positive Stoffwechselprozesse in Gang gesetzt: zum Beispiel die Ketose, also die Fettverbrennung.

Ein typisches Scheinfasten-Frühstück wäre zum Beispiel ein Gemüse-Smoothie. Auch eine Tasse Kaffee ist erlaubt. Zum Mittag- und Abendessen kommen Gemüsecurrys mit Linsen und Kokosmilch, Salate, oder Suppen auf den Tisch. Dazu kommen über den Tag verteilt drei bis vier Tassen ungesüßten Tees und Wasser.

Körpereigene Stoffe aktivieren

Der 5-Tages-Fastenzyklus kann ungefähr alle drei Monate wiederholt werden. Zwischendrin ist es empfehlenswert, sich nach dem sogenannten Sirtfood-Prinzip zu ernähren.

Die Bezeichnung leitet sich ab von den Sirtuinen, einer Gruppe von körpereigenen, multifunktionalen Enzymen. Deren Aktivität soll durch die Aufnahme bestimmter sekundärer Pflanzenstoffe gezielt angeregt werden. Wer zwischen den Fastenphasen versucht, sich nach diesem Prinzip zu ernähren, unterstützt die Zellerneuerung zusätzlich.

Bernd Kleine-Gunk spricht von „Sirtuinaktivatoren“. Die seien zum Beispiel in Brokkoli, Grünkohl, Äpfeln, Heidelbeeren, Walnüssen, Olivenöl, Zwiebeln, Kurkuma, Kaffee und Rotwein enthalten. „Ein sirtuinaktivierendes Frühstück wäre Quinoa-Porridge oder Schoko-Tonka-Quark. Beides kann mit frischen Beeren gegessen werden“, sagt der Experte. Zum Mittag- und Abendessen kommen etwa Gerichte wie Wirsing-Pilz-Eintopf mit Buchweizen, Orecchiette-Pasta mit Brokkoli oder Grünkohlsuppe mit Hackbällchen in Frage.

Altbekanntes Wissen

in neuem Gewand

Der Ernährungsmedizinier Hans Hauner von der Technischen Universität München ist von dem neuen Fastenkonzept nicht wirklich beeindruckt. „Scheinfasten ist altbekanntes Wissen in ein neues Gewand gehüllt“, sagt er. Im Verkauf der Fastenboxen, die für die Fastentage gekauft werden können, sieht er geschickte Vermarktung.

Positiv bewertet Hauner, dass beim Scheinfasten die Spiegel von Insulin und dem Hormon IGF-1 niedrig gehalten werden. Sie aktivieren und beschleunigen in den Zellen womöglich Alterungsprozesse.

Er stellt auch klar: „Wer aber längerfristig abnehmen und gesünder leben möchte, erreicht das natürlich nicht in fünf Tagen.“

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