Kurier-Journal

„Unsere Landwirtschaft ist sehr naturnah.“

Marc Schröder nahm Abschied als Berater des belgischen Bauernbundes

(Fortsetzung von Seite 1)

St.Vith. – Heute seien in der vom Grünen Kreis betreuten Betriebsleiterschule mehr und mehr Frauen anzutreffen und auch Leute, die nicht aus der Landwirtschaft kommen.

Man beobachte dabei eine ähnliche Entwicklung wie in handwerklichen Berufen, die nicht mehr ganz so körperbetont sind wie in der Vergangenheit, ergänzt Ingrid Mertes.

„Mit Sicherheit spielt es auch eine Rolle, dass viele Menschen heute ein alternatives Bild von der Landwirtschaft haben“, so Helmuth Veiders. „Sie denken dabei nicht zwangsläufig an einen klassischen Milchviehbetrieb, sondern finden Gefallen an anderen landwirtschaftlichen Aktivitäten im Nebenerwerb.“ In diesem Sinne sei Ostbelgien nicht länger eine reine Milcherzeugerregion, sondern öffne sich auch den hiesigen Landwirten ein erweitertes Spektrum der Erwerbsmöglichkeiten, zum Beispiel im Naturschutz, der künftig noch stärker gefördert werden soll.

Mit einer gewissen Spannung werde daher auch in Ostbelgien der neue Strategieplan der Wallonischen Region erwartet, der am 1. Januar 2023 in Kraft tritt und darüber entscheiden wird, wie die EU-Fördergelder aus der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingesetzt werden sollen. „In der Wallonie scheint man auf eine gewisse Kontinuität in der Politik zu setzen, wobei man noch keine konkrete Aussage machen kann, solange der Strategieplan nicht vorliegt“, weiß Marc Schröder.

„Es sieht aber danach aus, dass sich die Landwirte in gewissen Nischentätigkeiten ein zusätzliches Standbein aufbauen könnten. Insgesamt wird es zwar weniger EU-Gelder geben, jedoch soll ein größerer Teil in Umweltmaßnahmen fließen.“

Während der Strategieplan die Landwirte in Ostbelgien noch nicht aus der Ruhe zu bringen scheint, sind die Bauernverbände im Landesinnern bereits auf die Straße gegangen. „Vor allem im spezialisierten Ackerbau weckt der Strategieplan große Befürchtungen, weil die Rede davon ist, mehr Flächen stillzulegen sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger zu verringern, was für so manchen Betrieb sehr bedrohlich werden könnte“, gibt Marc Schröder zu bedenken und fügt hinzu: „In unserer Grünlandregion sind wir von diesen Themen, auch von den angesprochenen Maßnahmen gegen die Bodenerosion, viel weniger betroffen.“ Eine Rolle spiele auch, dass der in der Wallonie traditionell weit verbreitete Fleischsektor sehr stark von Prämien gestützt werde. „Wenn diese Prämien gekürzt werden, denn irgendwo muss man ja Abstriche machen, wenn weniger Geld da ist, dann sind viele Betriebe in ihrer Existenz bedroht. Es gibt dort eine große Unsicherheit und die Sorgen dieser Landwirte sind absolut nachvollziehbar.“

Die ostbelgische Landwirtschaft habe in diesem Kontext vergleichsweise gute Karten, weil die EU Dauergrünland fördern möchte und es in Ostbelgien kaum Ackerbau gebe. „Die Politik will eine Extensivierung der Landwirtschaft, die hierzulande wegen des vergleichsweise geringen Viehbestands pro Hektar und des ebenfalls stark gesunkenen Kunstdüngereinsatzes schon weitgehend gegeben ist. Wir haben bereits eine sehr naturnahe Landwirtschaft“, so Ingrid Mertes und Marc Schröder übereinstimmend, wobei Helmuth Veiders mit Blick auf die Fördergelder einschränkt, „dass diejenigen, die gute Arbeit leisten, dafür nur selten belohnt werden. Unterstützung erhalten erfahrungsgemäß eher die schlechten Schüler.“

In diesem Zusammenhang stößt es Ingrid Mertes manchmal bitter auf, dass die ostbelgische Öffentlichkeit sehr von den deutschen Medien beeinflusst sei: „Die Leute sehen im Fernsehen eine Reportage über nitratverseuchtes Grundwasser in Norddeutschland und zeigen dann mit dem Finger auf hiesige Landwirte, die es wagen, mit ihren Güllefässern durchs Dorf zu fahren. Man kann nicht einen Bericht aus dem Emsland als Grundlage nehmen, um die Situation hier in Ostbelgien zu beurteilen. Das geht komplett an der Realität vorbei.“ Korrekt sei, dass die Landwirtschaft in Ostbelgien extensiv sei, wenn man von Viehbestand und Düngung rede, aber intensiv, was die Mechanisierung oder die Silagenutzung der Flächen angehe, ergänzt Helmuth Veiders, „und das trifft sowohl für konventionelle als auch für Biobetriebe zu“.

Für die Zukunft sieht Marc Schröder Chancen, die die Digitalisierung auch für die Landwirtschaft bietet, zugleich benötigten die Bauern aber mehr Planungssicherheit. „Es kehrt nie Ruhe ein“, weiß auch Helmuth Veiders. „Wenn der Strategieplan Anfang 2023 in Kraft tritt, kann man sicher sein, dass sofort die Diskussionen losgehen, wie die EU-Agrarpolitik ab 2027 auszusehen hat. Man darf nicht permanent den Kurs wechseln, wenn man weiß, dass davon Existenzen abhängen und die Arbeit der Landwirte mit beträchtlichen Investitionen verbunden ist.“ Damit dies nicht passiert, wäre es aus der Sicht von Ingrid Mertes wichtig, „dass die politischen Entscheidungsträger die Bauernverbände nicht nur als Interessenvertreter, sondern auch als Fachleute wahrnehmen“.

Positiv in Erinnerung bleibt Marc Schröder, „dass die Wallonie den Ausstieg aus der Quotenregelung relativ gut gemanagt hat und verhindert werden konnte, dass Landwirte Geld in Quoten investieren, die nichts mehr wert waren“. Die damals ins Feld geführten Argumente für die Beibehaltung der Milchquotenregelung, nämlich dass die Bauern bessere Erzeugerpreise erzielen und so den kleinbäuerlichen Betrieben geholfen werde, hätten sich aus seiner Sicht absolut nicht bewahrheitet: „Die Milchkrise 2009 und die schlechten Preise 2012 waren ja noch zu Quotenzeiten. Jetzt haben wir seit vier Jahren zumindest stabile Preise. Ob es gute Preise sind, bleibt Ansichtssache.“ Der Rückgang der Betriebe sei jedoch in beiden Systemen derselbe gewesen. „Rückblickend kann man sagen, dass die Landwirte den Strukturwandel mit der Quote selbst bezahlt haben. Die Gebliebenen haben den Aussteigern die Frührente bezahlt.“

Damals sei das Kapital der Quote das Problem für eine Betriebsübernahme gewesen, heute der Kapitalbedarf der immer größer gewordenen Betriebe. „Eine Kontinuität der großen Betriebe im Familienverband zu gewährleisten“, bleibt für Marc Schröder eine der größten Herausforderungen der Zukunft, die für Ingrid Mertes nur dann zu bewältigen ist, „wenn die Wirtschaftlichkeit des Betriebs gewährleistet ist. Das ist in der Landwirtschaft nicht anders als in anderen Sektoren.“

(Quelle: GrenzEcho)

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