Kurier-Journal

Gelebte Solidarität in der Klasse

St.Vith.- Die drei Schülerinnen des Abschlussjahres des berufsbildenden Unterrichts „Bekleidung und Verkauf“ des Maria-Goretti-Instituts stellten im Rahmen ihres Nähunterrichtes „Serienanfertigungen“ insgesamt 130 sogenannte Herzkissen für an Brustkrebs erkrankte Frauen her.

Diese gelebte Solidarität innerhalb ihrer Klasse spürte Klassenleiterin Melanie Reinartz-Scheuren, die die Herzkissen-Aktion bereits seit einigen Jahren kennt und im Freundes- und Bekanntenkreis selbst bereits einige Herzkissen genäht hat, gleich von Beginn an. „Die Schülerinnen wollten etwas nähen und in Serie anfertigen, was anderen Mitmenschen hilft oder gut tut. Da fielen mir spontan die Herzkissen ein. Sofort konnte ich die Schülerinnen von dieser Art Projekt begeistern. Es war schon beeindruckend festzustellen, wie sozial und solidarisch die heutzutage oft gescholtenen Jugendlichen eingestellt sind.“

Im letzten Jahr hatten die Schüler Erfahrungen bei der Herstellung von Stoffmasken gesammelt.

Hierbei konnten die Teilnehmer auch die Erfahrungswerte der letztjährigen Herstellung von Stoffmasken nutzen, als professionelle Fabriknäherinnen den Schülerinnen Tipps und Tricks für eine effektive Serienanfertigung mit auf den Weg gaben.

Die Grundidee der „Heart Pillow“-Aktion stammt von der dänischen Krankenschwester Nancy Friis-Jensen. Bei einem USA-Aufenthalt sah sie diese speziellen Kissen für Brustkrebspatientinnen. Diese hatten die Form eines Herzens mit verlängerten Ohren und wurden vorwiegend von Brust operierten Frauen unter dem Arm getragen.

Das Herzkissen lindert Narbenschmerzen und die schmerzenden Lymphknoten-Schwellungen und entlasten den Druck unter dem Arm. Es erleichtert das Liegen und schützt bei plötzlichen Bewegungen oder Stößen. Selbst beim Autofahren sorgen die Kissen dafür, dass der Sicherheitsgurt keine Druckstellen auf den frischen OP-Narben hinterließ.

„Ich habe selbst Bekannte, die an Brustkrebs erkrankt sind, sodass ich den Nutzen und die Vorteile dieser Kissen bereits seit Jahren kenne. Für die Erkrankten ist es eine tolle Erleichterung und zudem auch ein Mutmacher, der ausdrückt, dass liebe Mitmenschen ihnen in enger Verbundenheit auch in der schweren Zeit der Krankheit beistehen. Krebs kann jeden von uns treffen. Ich persönlich würde mich auch sehr freuen, wenn unbekannte Mitmenschen an mich denken und mir etwas Gutes zukommen lassen“, erklärte Melanie Reinartz-Scheuren.

Nancy Friis-Jensen rief 2006 das „Heart Pillow Project“ ins Leben und entwickelte hierfür einen eigenen Schnitt, den sie auch urheberrechtlich schützen ließ, vor allem um von vornherein „Geschäftemachereien“ mit den Kissen zu unterbinden.

Die Idee „Herzkissen – verschenkt von Herz zu Herz“ war damit geboren und fand in ganz Europa viele Unterstützer und Nachahmer.

Neben dem nachgewiesenen physiotherapeutischen Aspekt spiele natürlich das Emotionale in dieser Aktion eine wesentliche Rolle. Die Schülerinnen haben das rasch erkannt. Es sei wichtig und für die Genesung entscheidend, Frauen Trost zu spenden und ihnen immer wieder zu versichern, dass man sie nicht vergesse, an sie denke und sie tatkräftig nach allen Möglichkeiten unterstütze.

Rein handwerklich seien die Herzkissen für die Absolventen der 7.BU „Bekleidung und Verkauf“ keine große Herausforderung: Nach dem Zuschneiden erfolgt das Zusammennähen, das Umstülpen und das Befüllen, bevor mit der Hand der letzte Näh-Feinschliff geleistet wird. Das Projekt wurde im Rahmen des Kapitels der „Serienanfertigung“ durchgeführt. So wurde es zu einem ganzheitlichen Konzept, bei dem Kalkulation, Zeiterfassung und vor allem auch Material-Akquise eine große Rolle spielten.

Stoffe und Füllstoffe wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

„Wir hatten das große Glück, dass uns alle Stoffe nach der Geschäftsaufgabe von ,Kathy’s Elegance’ kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Interne Spenden im Kollegium sowie private Kontakte ermöglichten den Ankauf der Füllstoffe aus Polyester“, bemerkte Melanie Reinartz-Scheuren weiter.

Es gehe nicht einfach darum mal schnell ein paar Stoffherzen zusammenzunähen, stellt die Fachlehrerin fest, da die Schnitte von Nancy Friis-Jensen mitsamt der Materialvorgaben respektiert werden müssen. „Die Schnitte sind wie bereits erwähnt urheberrechtlich geschützt, sodass die erste Aufgabe für unsere Schülerinnen die Kontaktaufnahme mit einem lokalen ,Heart Pillow’-Botschafter war.“ Die bisherigen ostbelgischen Kissen stammen allesamt aus der Nähstube von Elke Kickertz aus Großkampenberg, die sich über die Unterstützung der MG-Schülerinnen freute und die Schnitte bereitwillig zur Verfügung stellte.

Die Schülerinnen entwickelten vorab einen genauen Ablaufplan, damit ihre angedachte Serienproduktion auch den größten Ertrag erbringen konnte. „Die Planungsarbeit war sehr kreativ, wollte man doch produktiv sein und hierbei so schnell wie möglich arbeiten. Die Schülerinnen haben sich konkret den Kopf über die internen Abläufe zerbrochen und eine komplette Produktschiene und Arbeitsstrategie skizziert, die nichts dem Zufall überließ und auf Ergonomie und Schnelligkeit fußte. Ich denke da spontan an das Zusammennähen der beiden Schnitte und das Ablegen der fertigen Herzen auf einem separaten Stuhl, nur um ein ständiges Aufstehen und sich im Wege stehen, was mit Zeitverlust verbunden gewesen wäre, zu vermeiden“, lobt die Fachlehrerin ihre dynamische Klasse.

Nach dem Aussuchen der passenden Baumwollstoffe schnitten die Schülerinnen anhand der Schablonen die Herzen aus und legten sie in Paaren zusammen.

Anschließend wurden die Polyester-Füllungen mit je 170 g pro Kissen abgewogen und zurechtgelegt, bevor die eigentliche Produktion beginnen konnte. Nach dem Zusammennähen und dem Umstülpen aller Herzen wurden diese per Hand befüllt und in Form gebracht, bevor mit Nadel und Zwirn die finalen Stiche gesetzt wurden. „Pro Kissen dauerte die Produktion knapp zehn Minuten, eine gute Leistung für unsere Schülerinnen“, so Melanie Reinartz-Scheuren anerkennend.

Am Ende stellte die 7.BU Bekleidung und Verkauf 130 Herzkissen in bunten Farben und Motiven her. „Das reicht vom Blumenmuster bis hin zu einem Camouflage-Motiv. Für jeden Geschmack ist etwas dabei“. Außerdem seien die Kissen sehr pflegeleicht und bei 40° in der Waschmaschine zu reinigen.

Einen direkten Kontakt zu Brustkrebspatientinnen oder dem diensttuenden Pflegepersonal habe es aufgrund der Covid19-Maßnahmen nicht gegeben. „Eigentlich hatten wir fächerübergreifend arbeiten und unsere Krankenpflege-Abteilung mit ins Boot nehmen wollen, damit wir neben unserer Solidaritätsaktion auch Hintergründe zur Krankheit in Erfahrung hätten bringen sollen. Dies war nicht möglich, doch bei Bedarf können wir das sicherlich wiederholen“, meinte Schulleiterin Inge Hoffmann.

Am besten würden die Kissen zu Ladenhütern werden.

Natürlich wünschen sich die Projektteilnehmer, dass ihre Herzen zu absoluten „Ladenhütern“ avancieren, sprich, dass es keine Brustkrebspatientinnen gibt. Leider sehe die Situation anders aus. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft erkrankt etwa jede zehnte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. In Belgien ist Brustkrebs sogar mit Abstand die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. „Wir appellieren an die Frauen, sich diese Kissen, die wirklich eine Entlastung nach den OP-Strapazen und zudem auch Mutmacher sind, in den Filialen des Wochenspiegels, des Kurier-Journal oder aber im Krankenhaus und im Maria-Goretti-Institut kostenlos abzuholen. Gerne kann man diese Kissen auch für Freunde oder Bekannte abholen“, so Inge Hoffmann.

Ob es ein Folgeprojekt gebe, hänge von der Nachfrage ab. „Wir hoffen, dass die Nachfrage nicht so groß sein wird, da dies für wenige Brustkrebsfälle sprechen würde, sind aber gerne bereit, bei Bedarf ein Folgeprojekt zu starten. Das Interesse in den unteren Jahrgängen für diese gelebte Solidarität ist jedenfalls deutlich spürbar“, meinte Melanie Reinaertz-Scheuren abschließend.

Das Herzkissen-Projekt erfreut sich in Ostbelgien übrigens großer Beliebtheit. So fertigt die ehrenamtlich agierende Gruppe „Kornfeld“ aus Elsenborn bereits seit 2014 Herzkissen für Krebskranke, Herztaschen für Senioren und kleine „Vergissmeinnicht-Herzen“ für die Palliativpflege in den Krankenhäusern in Malmedy, St.Vith und Eupen an. „Es ist schön, wenn verschiedene Gruppen im Zeichen der Solidarität an einem Strang ziehen. Die Betroffenen und Notleidenden wissen diesen Einsatz zu schätzen“, so Heinz Radermacher von „Kornfeld“.

(Quelle: Grenzecho)

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