Kurier-Journal

Traumberuf mit Hindernissen

Verband UPV fürchtet um Zukunft der Veterinärmediziner

(Fortsetzung von Seite 1)

Büllingen/Bütgenbach/St.Vith. – Langfristig möchte er – wie es in der Humanmedizin bereits üblich ist und wie es auch inzwischen viele seiner Kollegen tun – in einer Struktur arbeiten, in der Beruf- und Privatleben besser planbar sind und die Notdienste beispielsweise mit Kollegen geteilt werden. In der Eifel gibt es erste Beispiele für solche Gemeinschaftspraxen. Bei Animalvith haben sich fünf Veterinärmediziner zusammengeschlossen und teilen sich die Notdienste. „So hat jeder mal Freizeit“, erklärt Angelina Andres die Funktionsweise der Praxis.

Neben der besseren Work-Life-Balance biete die Zusammenarbeit weitere Vorteile: „Junge Kollegen können von der Berufserfahrung der älteren Kollegen profitieren und von ihnen lernen“, so die Veterinärmedizinerin. Bei komplizierteren Eingriffen können die Mediziner zusammenarbeiten. Gleiches gilt für die Infrastruktur, Gerätschaften und Personal, das in der Gemeinschaftspraxis geteilt werden kann. „Die UPV fördert solche Formen der Zusammenarbeit“, sagen die Tierärzte unisono. Nur sind sie in der Realität in der Veterinärmedizin noch nicht so verbreitet. „Tierärzte sind eine der wenigen Berufsgruppen, bei denen man rund um die Uhr anrufen kann und dann auch direkt die richtige Person am Telefon hat“, erklärt Annette Pauls, dass im Gegensatz zu Humanmedizinern viele Tierärzte alleine in ihren eigenen Praxen arbeiten. Während der Hausarzt mit einem Stethoskop schon sehr gut ausgestattet ist, muss der Tierarzt sich einiges an Material besorgen, um effizient arbeiten zu können. „Die hohen Kosten bei der Einrichtung der Praxis setzen viele Kollegen unter Druck“, erklärt der Berufsverband.

Apropos Finanzen: Die Situation von Tierärzten ist in keiner Weise mit der ihrer „menschlichen“ Kollegen vergleichbar, da es für tierische Patienten keine verpflichtende Krankenversicherung und somit auch nicht automatisch Erstattungen gibt. Viel öfter als bei Menschen, wird bei Tieren die Frage aufgeworfen, ob eine Behandlung notwendig ist, wie viel sie kostet und wer dafür aufkommt. Veterinärmediziner sind außerdem mehrwertsteuerpflichtig, so dass ein Teil des Honorars an den Staat abgeführt wird.

„Gesetzlich ist die Situation klar: Wer den Tierarzt kontaktiert, der kommt auch für die Behandlung auf“, erklären die Mediziner, weisen aber gleichzeitig auf folgende Situation hin: Ein verletzter Hund oder eine verletzte Katze wird auf der Straße gefunden und von dieser Person zum Tierarzt gebracht. Dort wird eine aufwendige Behandlung notwendig. Soll der Finder die Kosten übernehmen? „Theoretisch kann jedes Tier über den Chip einem Besitzer zugeordnet werden. Aber hier reden wir von der Theorie“, erklärt Annette Pauls. Bei Animalvith gibt es eine Wildtierkasse, in die private Spenden durch Kunden fließen, um Kosten dieser Art zumindest teilweise zu übernehmen.

In einigen Ländern ist es mittlerweile gang und gäbe, eine Versicherung für das Haustier abzuschließen, die etwaige Behandlungskosten deckt. „Das kommt inzwischen auch bei uns etwas häufiger vor“, sagt Angelina Andres. Bei Animalvith hat das Team in den letzten Monaten festgestellt, dass Anfragen von deutschen Kunden stetig zunehmen. Die Umfrage der UPV hat zutage gebracht, dass auch der mangelnde Respekt gegenüber den Veterinärmedizinern immer mehr zu einem Problem in den Praxen wird. „Die Leute haben heute eine unglaubliche Erwartung, was die Versorgung ihrer Tiere betrifft“, sagt Bernard Gauthier, Vizepräsident des Berufsverbandes und seit vier Jahrzehnten in seiner Praxis aktiv. „Sie möchten quasi das gleiche Niveau wie in der Humanmedizin, aber nicht zu teuer dafür bezahlen“, erklärt er. Aus dieser Situation sei ein regelrechtes Bashing gegen Tierärzte in den sozialen Netzwerken entstanden. „Einen Kollegen, der alles tut, um ein Tier zu retten, treffen diese Kommentare wie Faustschläge“, sagt Gauthier. Für junge Kollegen sei dies noch viel gravierender, da sie öfter in sozialen Medien aktiv seien.

Mit Beschimpfungen und Beleidigungen sind die ostbelgischen Tierärzte nicht in dem Maße konfrontiert wie ihre städtischen Kollegen. Allerdings gibt es auch in ihren Praxen Fälle von Kunden, die z.B. am späten Samstagabend anrufen, weil das Futter ausgegangen ist oder das geliebte Haustier seit drei Tagen Durchfall hat. „Diesbezüglich muss man der Kundschaft Grenzen setzen“, sagen sie und erklären, dass der Tierarzt Recht auf seinen Feierabend hat, aber sehr wohl ausrückt, wenn es sich als notwendig erweist. „Zwischen Mensch und Tier hat man es oft mit besonderen Emotionen zu tun und wenn irgendetwas nicht stimmt, fühlt der Besitzer sich schnell ohnmächtig und gerät in Panik, weil er nicht mit dem Tier reden kann“, erklärt Annette Pauls. Lieber einmal zu viel in der Nacht aus dem Bett geworfen werden als einmal zu wenig, ist immer noch ihre Devise. Egal, ob die Geburt des Kalbs gut geklappt hat oder Hund und Herrchen nach einer erfolgreichen Behandlung glücklich nach Hause gehen: „Es ist ein toller Beruf“, sagt Markus Schmitz. „Aber an den Stellschrauben muss ein bisschen gedreht werden.“

(Quelle: GrenzEcho)

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